Nettelbeck – Bronzezeitliche Grabhügel

Landkreis Prignitz

Nördlich des Dorfes Nettelbeck, dort, wo heute die von Porep kommende Landstraße die A 24 überquert, traf man noch noch bis Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts auf einen bewaldeten Hügel. Die Wackelberg genannte Erhebung trug wahrscheinlich im Mittelalter einen Wartturm, von dem aus die Bewohner der Umgebung vor heranrückenden Feinden gewarnt werden konnten. Später befand sich dort ein sogenannter Eiskeller, ein Vorläufer heutiger Kühlschränke.
Im August 1976 entdeckte am Südosthang die Kreisdenkmalspflegerin E. Müller eine Gruppe von Hügelgräbern. Später konnten auch Reste durch landwirtschaftliche Tätigkeiten zerstörter Bestattungen sowie am Westhang Siedlungsspuren beobachtet werden. Der Bau des Autobahnabschnitts Wittstock-Zarrenthin im Jahr 1979 machte eine Reihe archäologischer Untersuchungen notwendig. In deren Verlauf wurden 7 bronzezeitliche Grabhügel eines Bestattungsplatzes der Seddiner Gruppe ergraben sowie 1980 fünf weitere aber leider zerstörte Hügel nachgewiesen.

grab
Grabhügel 3 in der Draufsicht. Den Erdhügel umgab ein Steinkranz. Bei dem Rechteck in der Mitte handelt es sich um eine Ascheschicht, wohl der Scheiterhaufen. Darauf standen die beiden Gefäße, geschützt durch das links unten separat wiedergegebene Steingewölbe.

Allen untersuchten Hügeln gemeinsam ist die herausragende Rolle welche verschiedene Arten von Steineinbauten bei ihrer Konstruktion spielten. Fast alle sind von einem Steinkranz umgebene Steinhügel, bei denen sich die eigentliche Beisetzung in einer separaten Steinkiste befindet. Der Leichenbrand wurde dabei in eine größeres terrinenartiges Gefäß geschüttet, dass man mit einer Schale abdeckte. Relativ spärlich ist die Ausstattung mit Beigaben besonders aus Metall und weiteren Gefäßen. Aus allen untersuchten Gräber barg man wenigstens eine Bronzenadel. Derartige goldschimmernden Artefakte waren damals gängige Modeaccessoires und hielten Teile der Gewandung, wie vielleicht einen Mantel oder Umhang, zusammen. Dazu kamen noch eine eiserne Nadel und ein Messer aus dem gleichen Material mit dem sich schon, wie im „Königsgrab” von Seddin, eine neues Zeitalter, die Eisenzeit, ankündigt. Trotzdem muss es sich wohl bei den Beigesetzten um eine herausgehobene Personengruppe gehandelt haben. Denn immer wieder stoßen die Archäologen auf zahlreiche Flachgräber der selben Zeitstellung und Kultur ohne jegliche Beigaben.
Dafür spricht noch ein anderer Umstand. Im Gegensatz zur heutigen Einäscherung in modernen Krematorien bleiben von den Beigesetzten nach der Verbrennung noch genügten Skelettteile erhalten um, wenn auch nicht in jedem Fall und mit letzter Genauigkeit, Alter und Geschlecht bestimmen zu können. Bei der Nettelbecker Grabhügelgruppe fand sich in 4 von den 7 Hügeln jeweils ein männliches Individuum im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, sowie auch die Überreste je einer weiblichen Person ähnlichen Alters. Bei den anderen 3 Bestattungen war eine Bestimmung nicht mehr möglich.

beigaben
Urne mit Deckschale, davor kleines Beigefäß, dass vielleicht Proviant für den Weg ins Jenseits enthielt. Rechts daneben Ring und Gewandnadel aus Bronze

Dieser Befund erinnert stark an den bereits erwähnten gewaltigen Grabhügel von Seddin, wo neben dem Leichenbrand eines erwachsenen Mannes auch die Überreste zweier wahrscheinlich weiblicher Individuen gefunden wurden. Der Verdacht, dass hier in dieser als „Seddiner Gruppe” bezeichneten bronzezeitlichen Kultur der Brauch weiblicher Totenfolge bestand, liegt daher nahe. Zusätzlich interessant ist, dass die Schädel der Männer fehlen. Durchaus möglich also, dass es sich bei den Beigesetzten um eine herausgehobene Gruppe von Kriegern mit besonderen Privilegien handelte.
Chronologisch lassen sich die Gräber in die zu Ende gehende Bronzezeit im 1. Drittel des 1. Jahrtausends vor Christus datieren, Grab 7 könnte mit seinen eisernen Beigaben sogar noch etwas jünger sein. Damit reihen sie sich in die beachtlich große Zahl von Fundorten dieser Zeit in der Prignitz ein zu denen neben mehreren Schwertfunde, der Burgwall bei Horst und die Grab- und Kultanlage von Wolfshagen gehören. Eine klimatische Gunstphase sorgte in dieser Zeit für einen nachweisbaren Anstieg der Siedlungsdichte auch nördlich und südlich des Gebietes der Seddiner Gruppe die selbst einen Übergangs- und Kontaktbereich zwischen Lausitzer Kultur und Nordischer Bronzezeit darstellte.
Auf Wunsch der Einwohner Nettelbecks wurde nach Abschluss der erfolgreichen Ausgrabungen ein Teil der Umfassung sowie das zentrale Grab vor dem damaligen Ratsgebäude der Gemeinde wiedererrichtet und ist dort noch heute zu besichtigen.

nach:

Rolf Breddin, Untersuchungen eines spätbronzezeitlichen Grabhügelfeldes der Seddiner Gruppe bei Nettelbeck, Kr. Pritzwalk, Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam, Band 17, 1983, S. 49-72

 

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