Viesecke, Perleberg, Lenzersilge – Bronzezeitliche Siedlungen in der Prignitz

Landkreis Prignitz

Siedlungsgrabungen finden nicht allzu häufig statt. Es sind relativ große Flächen zu erschließen, was eine entsprechende Zeit und Anzahl an Beteiligten erfordert. Und das kostet auch in der Archäologie. Trotzdem gibt es, wenn deren Untersuchung auch schon einige Zeit zurück liegt, mehrere aussagekräftige Befunde aus der Prignitz im Zusammenhang mit der jungbronze- und früheisenzeitlichen Seddiner Gruppe.
Im Prignitz-Museum am Dom Havelberg unter dem Dach des früheren Prämonstratenserstifts kann man das Modell eines bronzezeitlichen Hauses besichtigen. Angefertigt wurde es in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nach Grabungsergebnissen in der Nähe des Dorfes Viesecke. Interessant ist dabei die Vorratsgrube innerhalb des Gebäudes und der von ihr aus dem Haus zur Abfallgrube führende mit Kies bestreute Weg.

Hausgrundriss Viesecke.
Umzeichnung nach Bohm 1937, Tafel 40, 1

Umfassendere Erkenntnisse brachten 2 weitere Grabungen. Leider handelte es sich bei der in der Nähe Perlebergs um eine Notgrabung, für die nur wenig Zeit zur Verfügung stand. Trotzdem gelang es den zentralen Teil der haufenförmigen Siedlung mit einem leeren Platz in der Mitte zu erfassen. Hier fand sich ein als Backofen gedeutete Struktur sowie eine Steinsetzung unbekannter Funktion. Das auffallend große Haus südöstlich des Platzes wurde von der Archäologin Waldtraud Bohm als „Führerhaus“ – Haus des Dorfältesten – gedeutet. Bei diesem fand sich, wie auch bei einem weiteren Gebäude, ein mit Brettern ausgelegter Vorplatz. Sehr spärlich war die Zahl der sonstigen Funde, die weitere Auskunft über die Lebensweise der dortigen Menschen hätten geben können. Scheinbar wurde, vielleicht weil die umliegenden Äcker erschöpft waren, das Dorf von seinen Bewohnern planmäßig geräumt und verlassen.

Siedlungsgrabung bei Perleberg.
Umzeichnung nach Bohm 1937, S. 60, Abb. 52

Als regelrechte Fundgrube erwies sich dagegen die Siedlung bei Lenzersilge. Schon 1904 war man hier auf einen sogenannten Depotfund gestoßen. Aus einem Tongefäß barg man damals eine ganze Reihe bronzener Gegenstände wie Beil, verzierte Ringe und eine Gewandspange. Als genau so reichlich erwies sich das Fundmaterial aus der Grabung obwohl auch hier nur ein Teil der früheren Siedlung erfasst werden konnte. Das Dorf lag auf einer ca. 2 m hohen Düne in der Niederung. Direkt an seinem Nordrand floss die Löcknitz vorbei. Hier hatte man also frisches Wasser, konnte Abfälle entsorgen und ein tönerner Netzsenker unter den Funden deutete darauf hin, dass die Dorfbewohner auch Fischfang betrieben.
Die Grabung erbrachte große Mengen an Keramik sowohl in den Häusern als auch in Abfallgruben. In einem Haus fanden sich vorwiegend Spinnwirtel und die Reste von Webgewichten. An anderen Stellen traf man auf weitere Bronzen, darunter noch ein Depot sowie beschädigte Metallgegenstände und Reste von Gusskuchen. Dies alles zeugt deutlich davon, dass es in den einzelnen Siedlungen ein autarkes Metallhandwerk gab, eine Tradition, die sich bis in die unmittelbare Neuzeit in Form des Dorfschmiedes hielt. Zutage kamen aber auch verbrannte Getreidekörner und sogar durch Feuer konservierte Reste von Fladenbrot. Die Menschen bauten danach Weizen, Gerste, Roggen und Buchweizen an. Auch Erbsen, Bohnen und Linsen standen auf der Speisekarte genau wie verschiedene Wickenarten, Eicheln und Bucheckern.
Der auffällige Unterschied zwischen dem doch sehr fundarmen Perleberg und den für die Archäologie erfreulichen Ergebnissen in Lenzersilge weist auf ein Paradoxon. Hier stießen die Ausgräber nämlich auch auf jede Menge Hinweise auf einen Brand und Schichten schwarz gefärbten Sandes. Tatsächlich sind die Siedlungsgrabungen am lohnendsten, bei denen der Platz nicht nur für immer zerstört wurde, sondern auch die früheren Bewohner keinerlei Möglichkeit für eine Rückkehr und wenigsten die Bergung ihrer Habseligkeiten hatten. Das Unglück der Menschen in vergangenen Zeiten beschert den heutigen Forschern eine reichliche wissenschaftliche Ausbeute.

nach:

Waldtraut Bohm, Die Vorgeschichte des Kreises Westprignitz. 1937

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