Rathenow

Landkreis Havelland

Dort, wo heute die Stadt Rathenow mit ihrem Zentrum am Ostufer der Havel liegt, war es schon immer günstig den Fluss zu überqueren. Denn statt sumpfiger Niederungen wie so oft in Brandenburg, schieben sich hier Höhenzüge bis fast an den Wasserlauf. Und so verwundert es nicht, dass bereits bevor deutsche Kolonisatoren im Hochmittelalter nach Osten vordrangen, slawische Stämme hier mehrere Ringwälle zur Sicherung eines solchen Übergangs errichteten. Leider ist von diesen durch Einebnung und Überbauung nicht viel geblieben. Und da es auch nur wenige Oberflächenfunde gibt, lassen sie sich kaum datieren.
Anders verhält es sich mit einer Anlage innerhalb der Gemarkung Steckelsdorf, südwestlich der Rathenower Altstadt auf dem linken Havelufer. Eine ganze Reihe von Funden spricht dafür, dass diese Burg seit dem 10./11. Jahrhundert existierte und bis in die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts genutzt wurde. Wie an anderen Orten deutet auch hier Harte Grauware, typische deutsche Keramik des Hohen und Späten Mittelalters, auf eine Übernahme und zeitweilige Weiternutzung. Darauf weist auch der mit ihr verbundene Name „Alt Rathenow“. Bald jedoch scheint sie ihre Funktion an den neu entstehenden Platz auf dem Ostufer verloren zu haben.

 

Zwei Faktoren prägen heute das Erscheinungsbild der Rathenower Altstadt. Einmal erlebte sie einen Bedeutungsrückgang mit Gründung der Neustadt 1733 östlich des sie umgebenden Havelkanals, wo sich auch das moderne Zentrum der Kommune befindet. Viel wesentlicher aber waren die massiven Zerstörungen in den letzten Monaten und Tagen des 2. Weltkrieges. Beim Wiederaufbau blieb kaum etwas von der früheren Bebauung. Immerhin vermittelt die direkte Umgebung der St.-Marien-Andreas-Kirche mit ihren in den letzten Jahren restaurierten Fachwerkhäusern noch einen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen.
Auch diese Kirche, und das ist im Chor heute noch sichtbar, wurde schwer beschädigt. Archäologische Untersuchungen in ihrem Bereich erbrachten aber auch wertvolle Erkenntnisse zur Geschichte des Bauwerks und damit der Stadt. So fanden sich die Reste des Chors eines romanischen Vorgängerbaus vom Beginn des 13. Jahrhunderts und unter diesem wiederum Bestattungen, was auf einen noch früheren Vorgänger deutet.
An die neu errichtete Burg erinnern heute nur noch die Namen „Große“- und „Kleine Burgstraße“. Hier, nordwestlich des Hügels auf dem man die erste Kirche, vielleicht einen schlichten Holzbau, errichtete, dürfte sich direkt am Wasser, die Burg befunden haben. Oberirdisch ist von ihr allerdings nichts erhalten.
Es scheint also in Rathenow die gleiche Entwicklung abgelaufen zu sein wie an vielen anderen Plätzen in dieser Zeit. Im Schutz einer Burg entwickelt sich eine Siedlung, sehr wahrscheinlich zu Anfang bewohnt von Burgleuten, Handwerkern und sicher auch ersten Händlern. Denn die entstehende Stadt liegt an wichtigen Verkehrswegen. Hier treffen sich, den Fluss überquerend, die Straßen von Tangermünde und Havelberg nach Brandenburg an der Havel, alles wachsende Städte mit beträchtlicher Bedeutung in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Und so erscheint Rathenowe bereits 1216 auf einer Urkunde des Brandenburger Bischofs Siegfried. Im Jahr 1276 werden dominus Nicolaus de Ratenowe (Herr Nicolaus von Rathenow) und advocatus Otto (Vogt Otto) als Vertreter der askanischen Landesherren erwähnt. Dies dürfte sich eindeutig auf die Burg beziehen. Zwar fehlt wie zumeist eine Gründungsurkunde doch erfahren wir aus einem weiteren Dokument, dass der Markgraf 1288 dem Schulzen die Rechtsprechung gewährt. 1295 dann versprechen sie das nahe der civitas gelegene castrum aufzugeben und den Bürgern das beim Abriss anfallende Material zur Verfügung zu stellen. Da also ist Rathenow bereits Stadt und wird durch seine nun entstehende Befestigung zur Großburg.
Von der damaligen Stadtmauer ist leider nicht allzu viel geblieben, die wie in den meisten Städten repräsentativen Tortürme sind vollständig verschwunden. Allerdings hat sich im Westen noch ein Teil der Mauer mit Wieckhäusern erhalten. Dazu kommt noch beim früheren Mühlentor ein Abschnitt aus dem späten Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit, der deutlich auf die Verwendung von Feuerwaffen hinweist.
Eindrucksvoll zeugt noch heute die Stadtkirche von der wirtschaftlichen Potenz der Stadt. Doch im 15. Jahrhundert begann eine Phase der Stagnation, die durch die Ereignisse im Dreißigjährigen Krieg noch verschärft wurde. Für das Jahr 1653 verzeichnet eine Quelle nur noch 153 bewohnte Häuser während 129 leer stehen und 16 wüst gefallen sind.

 

In den Brennpunkt Brandenburger Geschichte rückt Rathenow dann noch einmal in der Zeit des Schwedeneinfalls. Am 25. Juni 1675 schlagen hier die Truppen des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. die Eindringlinge aus dem Norden und bereiten damit deren endgültige Niederlage drei Tage später bei Fehrbellin vor. Diesem Ereignis ist ein beeindruckendes Denkmal des Hohenzollern am Schleusenplatz gewidmet. In der Tracht eines römischen Kaisers steht der Kurfürst auf dem Sockel, den 4 Schlachtenreliefs und Kolossalfiguren gefesselter Sklaven an den Eckenein ziemlich wuchtiges Erscheinungsbild geben. Geschaffen wurde es 1736-38 vom Bildhauer J. G. Glume nach einem Modell B. Damarts, dass sich wiederum an das Reiterdenkmal Schlüters in Charlottenburg anlehnt.

nach:

Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg. II, 1. Kreis Westhavelland. 1913.
Georg Dehio und Gerhard Vinken, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Brandenburg. 2000.
Potsdam, Brandenburg und das Havelland. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 37. 2000. S. 255-258

 
und nah dabei:

Hinweis2

Dorfkirche Buckow (Milower Land)
Dorfkirche Stechow
Alt Rathenow – Burgwall

Zeitreisen in der Mark Brandenburg und anderswo …