An der Biegung des Flusses

Aus der Geschichte Lenzens

Widukind von Corvey, mittelalterlicher Geschichtsschreiber aus dem 10. Jahrhundert, berichtet uns in seiner „Sachsengeschichte” von einer erbitterten Schlacht zwischen aufständischen Slawen und einem Heer des ostfränkischen Königs Heinrich I. im Jahr 929 bei einer Lunkini oder Lunzini genannten Burg. Mehr als eineinhalb Jahrhunderte später, 1066, wird bei einem weiteren Aufstand der zum Christentum übergetretene slawische Stammesfürst Godescalk (in heutiger Schreibweise Gottschalk) „in der Stadt Leontium, die mit anderem Namen Lenzin heißt” von seinen heidnischen Landsleuten erschlagen. Der Name dieses geschichtsträchtigen Ortes kommt aus dem Slawischen und bezeichnet dort einen Platz, gelegen an einer Flussbiegung. Und so verhält es sich auch heute noch mit dem Städtchen Lenzen, hinter den Elbdeichen im nordöstlichen Zipfel des Bundeslandes Brandenburg.

alte_stadtansicht
Stadtansicht nach einem Gemälde des 17. Jahrhunderts

Kdm Westprignitz, S. 164, Abb. 162

Hier wo die von Südosten kommende Elbe ihren Lauf nach Südwesten ändert, gegenüber dem heute bewaldeten Höhbeck, einer eiszeitlichen Stauchmoräne, dürfte es schon in frühgeschichtlicher Zeit günstige Stellen zur einigermaßen sicheren Überquerung des Flusstals gegeben haben. Davon zeugt eine ganze Ansammlung von Wallanlagen an beiden Ufern. Und es ist auch nicht ein-hundertprozentig sicher, dass das heutige Lenzen Ort der oben erwähnten Ereignisse war. Eine Burg aus jener Zeit aber war es, in deren Schutz sich seit dem Ende des 12. Jahrhunderts, wie an vielen anderen Plätzen zwischen Elbe und Oder um diese Zeit, eine Stadt zu entwickeln begann. In einer Salzwedler Urkunde aus dem Jahre 1252 wird den Bürgern der Stadt vom damaligen Wittelsbacher Markgrafen Ludwig dem Römer Zollfreiheit in der gesamten Mark gewährt.

Grundriss Lenzen
Umzeichnung nach: Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg. 1.1. Kreis Westprignitz. 1909, S. 174, Abb. 170

Burg, Stadt, Elbfähre und damit sicher verbundene Zolleinnahmen machen so einen Ort wertvoll. Also geht Lenzen 1336 für 6500 Mark Silber von Brandenburg an die Grafen von Schwerin. Das es sich mit Sicherheit um eine Stadt handelt bestätigt uns das Landbuch Karl IV. von 1375, in dem Lenzen als civitas verzeichnet ist. Aber die Zeiten werden unruhiger. Gerade die Prignitz steht für das ausufernde Raubrittertum in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts und Lenzen gilt geradezu als Räubernest. Da verwundert es auch nicht, wenn schon bald die berüchtigten Quitzows als Burgherren in Erscheinung treten. Allzu viel allerdings ist uns von Lenzens Geschichte sonst nicht überliefert. Neben der Burg bekam auch bald die Stadt ihre Befestigung, was sie quasi zur Großburg machte. Es gab verheerende Brände und Seuchen vor denen im Mittelalter und der frühen Neuzeit kein Ort sicher war. Eine neue Zeit kündigt sich 1542 an. Da erbitten Rat und Bürgermeister einen „evangelisken Predicanten”.

Zeitreisen in der Mark Brandenburg und anderswo …